Donnerstag, 18. September 2014

Rezension „Der Campus“ von Dietrich Schwanitz


„Der Campus“ von Dietrich Schwanitz
Der Soziologieprofessor Hanno Hackmann kommt als Kandidat für den Posten des Universitätspräsidenten ins Gespräch und beendet deshalb seine Affäre mit der hübschen Studentin Babsi. Sie verführt ihn allerdings ein letztes Mal und aufgrund einer Verkettung mehrerer Umstände wird Professor Hackmann plötzlich der Vergewaltigung bezichtigt. Der Skandal ist perfekt. Besonders sein Konkurrent Bernie Wesenkamp wittert plötzlich seine große Chance und versucht gemeinsam mit der Frauenbeauftragten Dr. Ursula Wagner Hackmann öffentlich bloßzustellen. Was wirklich vorgefallen ist, interessiert bald keinen mehr und die Hetzjagd auf Hackmann entwickelt eine gefährliche Eigendynamik. Das Leben des Professors gerät immer mehr aus den Fugen. Er verliert seinen Job und seine Ehre. Seine Ehe geht in die Brüche und seine Tochter, die anfangs noch zu ihm hält, will schließlich nichts mehr von ihm wissen.

Das Buch ist ein Rundumschlag gegen alles, was Schwanitz nicht gefällt. „Der Campus“ beschäftigt sich daher weniger mit dem Fall an sich, sondern vielmehr mit den Ränkespielchen um Macht, Posten und Einfluss hinter den Kulissen einer ehrwürdigen Universität. Schwanitz kennt das Milieu, über das er schreibt, selbst nur zu gut. Er ist selbst Professor für Englische Sprache und Kultur in Hamburg und weiß, dass an Notenschnitten gedreht wird, weiß, dass Dozenten mehr an die Karriere, als an die Lehre denken, weiß, dass Feminismus (aka. Zentrum für Gleichstellungsbeauftragung) an der Uni manchmal fundamentale Züge annimmt. Aber auch Politik, TV und Presse kriegen ihr Fett weg.

Präzise und herzlos zeichnet er die Charaktere und zeigt damit offen und schamlos, was hinter vorgehaltener Hand an der Uni getuschelt wird und hinter den Mauern des Elfenbeinturm passiert. Brillant ist seine Art eine scheinbar harmlose Affäre in mehreren Wellen bis zum öffentlichen Eklat hochzuschaukeln. Und man sieht hier ganz deutlich wie schnell einem eine solche Situation aus der Hand gleiten kann, obwohl „Opfer“ und „Täter“, die in diesem Falle beide Opfer sind, beharrlich beteuern, dass eine Vergewaltigung nicht stattgefunden hat.

Der satirische-kritische Roman traf 1995 den Nerv der Zeit. Das Buch wurde zum Bestseller und Sönke Wortmann hat es mit Starbesetzung verfilmt. Der Film bleibt aber hinter dem Wortwitz des Buchs weit zurück und schwankt unentschlossen zwischen Satire und Drama hin und her.
Nichtsdestoweniger schlug der Roman große Wellen im frisch vereinten Deutschland und zeichnet bitterböse die Strukturen an der Hochschule nach. Das Buch war eine unverhohlene Abrechnung mit den Universitätskollegen. Doch im Elfenbeinturm, zwischen Gremien und Seilschaften gilt jede Selbstkritik als reaktionär.

Den instinktsicheren Griff nach populären Themen, wie der Bildungsmisere, Sex am Arbeitsplatz oder das Leid der Männer, nahm die Universität Schwanitz übel. Sein Ratgeber "Bildung, alles was man wissen muss" war besonders umstritten. Dabei wollte Schwanitz nur den Finger in die Wunde legen. Er mischt sich halt gerne politisch ein. Er wollte dem Volk die Bildung beibringen und der Hochschule das Fürchten lehren.
Schwanitz verstarb bereits im Dezember 2004 an Unterkühlung in seinem Haus im Schwarzwald. Damit verliert Deutschland einen Professor, der sich nicht in seinen Elfenbeinturm zurückgezogen hat, sondern Spaß hatte zu provozieren und die Dinge völlig quer zu denken.

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